Lange musste ich überlegen. Viele Anläufe habe ich unternommen. Nie habe ich die richtigen Worte gefunden, diesen Teil meines Lebens auf Papier zu bringen, zu erzählen. Es ist das bis dato schwärzeste Kapitel meiner Lebensgeschichte.

Der Gedanke jedoch, dass meine Erfahrung anderen Menschen, die sich selbst in einer ähnlichen, scheinbar aussichtslosen Situation wiederfinden, Mut machen kann, hat mich schlussendlich angetrieben, auch nach unzähligen Anläufen mein dunkles Kapitel zu teilen - in der Hoffnung, dass andere den hellen Leuchtturm inmitten des dunklen Ozeans finden. Denn dieser existiert. Irgendwo.

Genau dieses leitende, Hoffnung gebende Licht hat mir lange Zeit gefehlt.

Wie ein schwerer, schwarzer und schier undurchdringlicher Nebelschleier wurde dieser Leuchtturm, der mich doch eigentlich sicher durch die Nacht führen sollte, verdeckt. Schlimmer noch: Mir wurde fast der Atem genommen: Burnout. Depression.

Wer dieses Kapitel in seinem Leben selbst schon einmal durchleben musste - oder sich gerad in diesem schwarzen Sumpf befindet -, weiss genau, wovon ich spreche.

Es ist etwas, was man nur bildlich versuchen kann zu beschreiben. Dieser Zustand schleicht sich langsam in das Leben und erdrückt einen. Stück für Stück. Irgendwann ist es so schlimm, dass das Licht des Lebens komplett erloschen zu sein erscheint. Doch es kann wieder aufflammen.

Dies ist meine Geschichte.

Von farbenfroh zu farblos - Gefangen in der Abwärtsspirale

Beginn Sommer 2014, kurz vor meiner Abschlussprüfung zur Grafikerin, merkte ich, dass die Tage für mich länger und scheinbar unüberwindbarer wurden. Ich fühlte mich niedergeschlagen. Negative Gedanken, nicht genug zu sein, die Prüfung nicht zu schaffen, nisteten sich mehr und mehr in meinen Kopf ein und zogen mich, wie eine Spirale, in ein dunkler werdendes Loch. Die Angst wurde zu einer Hürde und so kam ich bald an einen Punkt, an dem es mir mein Körper und Verstand nicht mehr erlaubten, morgens aufzustehen.

Ich konnte nicht mehr essen. Ich weinte viel. Tägliche Dinge wie zur Arbeit, mit dem Hund spazieren und einkaufen gehen, ja sogar Haare kämmen, wuchsen zu einem immer grösseren, steileren Berg heran, den ich unfähig war zu erklimmen.

Irgendwie schaffte ich es doch durch diese Zeit hinweg meine Abschlussprüfung zu bestehen.

Auf Anmerkungen von besorgten Familienmitgliedern und Freunden hin war es dann aber klar: Mit mir stimmte etwas nicht. So konnte es nicht weitergehen. Ich musste versuchen, aus diesem Strudel, der mich Tag für Tag tiefer dem dunklen Meeresboden entgegen zog, auszubrechen. Es war eine fast erdrückte, leise Stimme in meinem Kopf - gegen den Rest meines Verstands und dürftigen körperlichen Befindens.

Ich suchte einen Arzt auf. Die niederschmetternde Diagnose kam schnell: Burnout mit schwerer Depression.

Das schwärzeste Kapitel meiner bisherigen Lebensgeschichte

Ich war müde, energie- und motivationslos. Dennoch konnte ich nachts nicht schlafen. Ich fühlte mich, als wäre das pure Leben meinem Körper und Geist entzogen worden. Medikamente und Therapie schienen mich nicht weiterzubringen.

Seit jeher habe ich mich über meine Arbeit und Produktivität definiert. Dieses war immer essenziell für mich, doch meine Depression hat mich davon abgehalten. Ich geriet in eine Teufelsspirale; ich konnte keiner Arbeit nachgehen, doch war genau das eigentlich so fundamental für mich.

Nach meiner Krankschreibung versuchte ich jedoch, meinem Job als Grafikerin nachzugehen, was nur kurzzeitig gut ging. Ich sollte nämlich schnell merken, wie der tägliche Stress mich wieder tiefer zog.

Ich erreichte zu Beginn des Jahres 2015 einen Punk, an dem ich komplett in den Tiefen des schwarzen Meeres versank. Ich war am Boden angekommen. Es war kalt und grau. Mein Atem schien zu stocken. Wenn es vorher einen Hoffnungsschimmer gab, so war dieser spätestens jetzt komplett erloschen. Mein Leben war farblos. Ich wollte aufgeben.

Der Sinn in der Fotografie - Die Farben des Lebens Wiederfinden

Ich kann gar nicht mehr sagen, wie es genau dazu gekommen ist, aber an einem Tag habe ich meine alte Spiegelreflexkamera im Schrank gefunden und mitgenommen, auf einen Spaziergang mit meinem Hund Kiba.

Ich fand mich in einem Moment wieder, in welchem ich mich so darauf konzentriert habe, die richtigen Einstellungen an der Kamera zu finden, um das versuchen umzusetzen, was ich in meiner Ausbildung gelernt habe. Für diesen kurzen Moment wurde alles um mich herum farbenfroher; die negativen Gedanken waren verschwunden.

Das hat meinen Ehrgeiz geweckt und ich begann mich intensiver mit der Fotografie zu beschäftigen, meine Kamera auf Erkundungstouren mitzunehmen.

Ich habe begonnen, Kiba zu fotografieren und mir Fotos von Hunden und Pferden vor wunderschöner Kulisse anzuschauen. Die Farben kamen ganz langsam zurück, für längere Zeit. Ich merkte, dass ich viel aufmerksamer wurde und Plätze draussen wahrnahm, die plötzlich viel bunter und prachtvoller erschienen. Davor wollte auch ich Hunde und Pferde fotografieren.

 

Der leitende Leuchtturm in Form der Hunde- und Pferdefotografie

Ich hatte wieder einen Sinn. Den Leuchtturm inmitten dieses dunklen Meers sollte ich in Form der Fotografie finden.

Bis Mitte 2015 war es eine Achterbahnfahrt; ab dann ging es mir langsam aber sicher besser. Der so unüberwindbare Berg wurde kleiner und Alltägliches, langsam aber sicher, wieder machbar. Bis Sommer 2017 hat es dann aber tatsächlich gedauert, bis ich mich komplett genesen fühlte. Ein grosser Faktor in meinem Genesungsprozess war meine Reise nach Japan. Hier fühlte ich mich komplett in meinem Element; Reisen, Natur, Pferde in ihrer freien Wildbahn vor wunderbarer Kulisse fotografieren und dabei ihre Geschichte bildlich erzählen.

Ich habe meine ganze Energie in das Fotografieren gesteckt. Rumreisen, neue Leute kennenlernen, mit Tieren zusammen sein und bleibende Erinnerungen in Form von Bildern kreieren - das war mein rettendes Licht.

Dadurch hat mein Leben wieder Sinn gemacht. Und ich wünsche mir, dass genau dieser Sinn - wie auch immer er aussehen mag -, von Menschen, die ihn für sich gerad so sehnlichst suchen, gefunden wird.

Es gibt ein Ende. Man muss nur durchhalten.

Ein gelecktes Pferd und ein Scheck-Pony berühren sich im Sonnenuntergang an der Nase
Pferdefotografie von einem Schimmel-Wallach der im Sonnenuntergang über die Weide galoppiert
Schwarze deutsche Dogge steht im Gras vor roten Blättern
Schimmel Stute steht in einem Fluss und scharrt mit dem Vorderbein
Weisser Schweizer Schäferhund springt im Sonnenuntergang auf die Kamera zu
Kleiner Hund mit langem Fell springt im Gegenlicht über die Wiese und streckt die Zunge heraus
Pferdefotografie einer Tinker-Stute die ihren Kopf im Gegenlicht schüttelt und ihre Haare fliegen lässt
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